Andreas Pittler: Aushilfskiller (Teil 2)
„Okay“, räusperte sich Haider, „gehen wir es systematisch durch. Zuerst zu Klagenfurt. Was können Sie mir da genau sagen.“
„Das spätere Opfer hat uns sogar kurz vor seiner Ermordung noch kontaktiert und behauptet, es werde verfolgt. Der Mann hat vom Neuen Platz aus angerufen, hat er gesagt, und dann hat er um Polizeischutz gebeten. Aber wie Sie verstehen, konnten wir da nicht einfach nur wegen eines Anrufs aktiv werden. Wir haben ihm daher gesagt, er solle zu uns aufs Präsidium kommen, da besprechen wir alles Weitere. Und er hat gemeint, er habe eben noch einen Interview-Termin bei der Kleinen Zeitung, gleich danach aber werde er bei uns erscheinen.“
„Und?“
„Na nichts und. Er ist dann offenbar zur Redaktion der Zeitung gegangen, und am Rückweg, am Völkermarkter Ring, kam es dann zur Tat.“
„In unserem Fall haben wir den Mord sogar auf Video, weil er direkt vor einer Überwachungskamera begangen wurde“, klärte Haider den Kollegen auf. Der seufzte. „So viel Glück hatten wir leider nicht. Wir haben alles auf den Kopf gestellt, aber rein gar nichts gefunden. Glatter Kopfschuss. Nicht einmal die Patronenhülse konnte sichergestellt werden. Alles, was wir gefunden haben, war eine leere Medikamentenschachtel.“
Die Klinger wurde hellhörig. „Was für ein Medikament?“ Am anderen Ende der Leitung herrschte kurz Stille. „Passedan“, meldete sich der Kärntner schließlich wieder. „Gibt es in der Nähe des Tatortes eine Apotheke?“ Der Kollege bestätigte die Vermutung. „Ja, den Obelisken, ein Unternehmen der Santé-Gruppe. Das ist praktisch ums Eck.“
„Hätten Sie etwas dagegen, Herr Kollege, wenn ich nach Kärnten komme? Ich hege den dringenden Verdacht, dass unsere Fälle ganz eindeutig zusammenhängen.“ Der Klagenfurter Ermittler zeigte sich erfreut. „Teamwork ist immer gut. Kommen Sie nur!“
Gute vier Stunden später war die Klinger in der Klagenfurter Innenstadt angekommen und begab sich ohne Umwege zur Obelisk-Apotheke am Völkermarkter Ring 14. Dort erinnerte man sich an den spektakulären Mordfall noch sehr genau, zumal einige Mitarbeiter die anschließende Arbeit der Polizei teilweise mitbekommen hatten. „Sagen Sie“, fragte nun Klinger, „war an jenem Tag zuvor jemand bei ihnen und hat Passedan gekauft?“ Die junge Apothekerin mit dem pechschwarzen Haar lächelte wissend. „Ja, an den erinnere ich mich sogar ganz genau. Der hat gezittert wie Espenlaub, und ich dachte mir noch, der hat es wirklich nötig. So, wie der beisammen war, hätte ich ihm sogar zu etwas Stärkerem geraten, Xanor zum Beispiel, oder Psychopax. Aber dazu hätte er ja ein Rezept gebraucht.“
„Und können Sie ihn beschreiben?“
„Wissen Sie, bei uns gehen so viele Kunden ein und aus, da vergisst man die Laufkundschaft recht schnell. Aber soweit ich mich erinnere, war er recht groß, sicher weit über einsachtzig, und sehr schlank. Direkt dünn, eigentlich.“
„Haarfarbe? Gesicht? Augen? Können Sie dazu etwas sagen?“
„Leider nein. Er trug so eine Kapuze über dem Kopf und trotz des eher mäßigen Wetters dunkle Sonnenbrillen. Aber er hatte recht schmale und spröde Lippen“, ergänzte sie.
„Vielen Dank, das hilft mir weiter.“ Klinger war schon beinahe aus der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte. „Warum heißt die Apotheke eigentlich Obelisk und nicht Lindwurm? Das wäre doch viel naheliegender.“ Sie wartete keine Antwort ab und eilte stattdessen direkt ins Präsidium zu ihrem Kärntner Kollegen.
Mit dem fuhr sie anschließend nach Wolfsberg. Auch dort war die Tat an einem überaus prominenten Ort verübt worden. Einen wesentlichen Unterschied schien es allerdings zu geben. In der nahegelegenen Barbara-Apotheke in der Krankenhausstraße hatte zum Zeitpunkt des Mordes niemand Passedan gekauft. „Aber wir sind ja nicht die einzige Apotheke am Ort“, erklärte die Mitarbeiterin und griff zum Telefon. Kurz danach sah sie die beiden Polizisten direkt an. „In der Activa Apotheke in der Klagenfurter Straße hat einer Passedan gekauft. Groß und hager, sagt die Kollegin.“ Die Klinger sah auf ihren Kärntner Partner: „Das ist unser Mann.“
In diesem Moment läutete sein Handy. Der Ermittler hob ab: „Was?“, hörte die Klinger ihn sagen, „schon wieder ein Mord? In der Villacher 10. Oktober-Straße? Direkt vor der Oberen Apotheke? Das gibt´s ja nicht.“ Er beendete das Gespräch und blickte die Klinger verdattert an.